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PORTRAET - Berthold Huber - Mit leiser Stimme in die Zukunft~

- Von Alexander Hübner -

Frankfurt, 31. Aug (Reuters) - Berthold Huber ist kein Freund klassenkämpferischer Parolen, wie ein polternder Gewerkschaftsfunktionär kommt der hagere Mann schon gar nicht daher.

"Wenn ich ganz leise spreche, wissen meine Gesprächspartner: Jetzt ist es mir ganz ernst", sagt der 53-Jährige über sich selbst. Am Sonntag wählte ihn der Frankfurter Gewerkschaftstag zum stellvertretenden Vorsitzenden der IG Metall.Mit seiner Vorliebe für eher leise Töne hat der gelernte Werkzeugmacher als Verhandlungsführer in Baden-Württemberg 1999 und 2002 Pilotabschlüsse für die Metall-und Elektrobranche ausgefochten. Otmar Zwiebelhofer, zweimal sein Gegenüber auf der Arbeitgeberseite, warnt deshalb auch vor einem falschen Bild von Huber: "Wir haben ihn als sehr fairen, gebildeten Gewerkschafter kennen gelernt, der aber mit einer enormen Härte ausgestattet ist."

Die Vier vor dem Komma, die er 2002 ausgehandelt hat, schien ihn zum Favoriten für die Nachfolge von Klaus Zwickel als Chef der IG Metall gemacht zu haben. Doch im Gegensatz zum neuen Vorsitzenden Jürgen Peters fehlt dem baden-württembergischen Bezirksleiter der unbedingte Machtwille. Mit dem vorübergehenden Verzicht auf den Stellvertreter-Posten wollte er sich ebenso in den Dienst der Organisation stellen wie mit seiner unerwarteten Rückkehr ins Führungstandem mit Peters, sagen Vertraute. Zwischendurch hatte Huber sich völlig abschirmen lassen, Rücktrittsforderungen an Peters überließ er anderen.

Huber hat eine ungewöhnliche Gewerkschaftskarriere hinter sich: Mit 28 war er bereits Gesamtbetriebsratschef beim Lkw-Bauer Kässbohrer in seiner Heimatstadt Ulm, der inzwischen zu DaimlerChryslergehört. Doch mit 35 begann er ein Studium der Geschichte und Philosophie - obendrein als allein erziehender Vater. 1990 half er beim Aufbau der IG Metall im Osten, ab 1998 übernahm er die Aufgabe, den mächtigen, aber tief zerstrittenen baden-württembergischen Landesverband zu einigen. Vor einer Woche wurde er zum dritten Mal Vater. Nicht nur wegen seines Studiums trägt Huber das Etikett des "Philosophen" in der IG Metall. "Mit etwas Ironie kann ich dazu nur sagen: Wenn jeder, der einigermaßen reden und schreiben kann, der weiß, dass Kant, Hegel und andere keine Bundesliga-Spieler sind, wenn der schon als Philosoph gilt, dann ist es um das Land der Dichter und Denker nicht gut bestellt", sagte Huber in seiner Bewerbungsrede zur Wahl auf dem Gewerkschaftstag.

Huber macht sich Gedanken weit über den nächsten Tarifabschluss hinaus. "Geld, Geld und nochmals Geld" wie Peters es einmal formuliert hat - das ist ihm zu simpel.

Als Zweiter Vorsitzender mit dem wichtigen Ressort Tarifpolitik hofft er einige seiner zukunftsweisenden Themen durchzusetzen: Zweistufige Tarifverträge mit größerer Eigenständigkeit für die Betriebe waren in der IG Metall ein Tabuthema, als er sie im vergangenen Jahr vorschlug. "Die Antworten heute können nicht so aussehen wie vor 50 Jahren", sagt er dazu. Derzeit arbeitet er an neuen Modellen für Lebens-Arbeitszeitkonten. Sein gut zehn Jahre langer, letztlich erfolgreicher Kampf für die Angleichung von Löhnen für Arbeiter und Gehältern für Angestellte (ERA) war nach Ansicht von Arbeitgebern wie von Gewerkschaftern ein Meilenstein in der Tarifpolitik.

axh/jcs/tin